Die Welt dreht sich einem, vom TÜV ungeprüften, Kettenkarussell gleich. Alt, marode ächzend, somit lebensgefährlich. Kein Spielzeug. Nein, wahrlich nicht. Kein Bild spielend scherzender Kinder übertüncht die Szenerie der Grausamkeiten. Nicht der leiseste Hauch von Zuckerwatte umspinnt die Münder mit klebriger Süße. Kein Jauchzen, während des Fluges in die Weiten des strahlenden Sommerhimmels, ist zu hören. Das Gefühl der Schwerelosigkeit ist gewichen. Stattdessen, beklemmende Schwere.
Die alte Dame scheint ihren Kindern und Enkeln nicht mehr warnend zu drohen. Sie verschlingt sie, mit Haut und Haar. Zu lang hat sie stumm das Treiben geduldet. Viel zu lang stand sie mit der Liebe einer Mutter, ihren Kindern zur Seite.
Ihre Haut wie Pergament. Brüchig und zerschlissen. Dem Hemd eines Bettlers gleich. Verlacht, ausgemergelt, fast bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Eine Ruine der Erinnerungen.
Oft bat sie leise flüsternd "genug". Ungehört. Unerhört. Jetzt, kurz vor der endgültigen Selbstaufgabe setzt sie sich zur Wehr. Eine Mutter, die mit Strenge ihre Kinder zur Ordnung ruft. Nicht um ihrer selbst Willen. Um der Kinder willen.
Zukunft, was ist das? Ohne Mütter werden keine Kinder mehr geboren, nie wieder. Ohne Kinder, keine Zukunft.
Weissagung der Cree:
"Erst wenn der letzte Baum gerodet,
der letzte Fluss vergiftet,
der letzte Fisch gefangen,
werdet Ihr feststellen,
dass man Geld nicht essen kann!"
Zart und zerbrechlich, so ein Menschenleben. Dennoch, im Augenblick der Entscheidung kämpfend mit unendlicher Kraft bis zum Tod. Dem Eigenen oder dem der Anderen.
Gelangweilte Lustlosigkeit, nervtötendes Desinteresse oder einfach nur unbekümmerte Sorglosigkeit.
Die Zeit verfliegt in schwindelerregender Schnelligkeit. Aussteigen, wie? Sich zermahlen lassen im Getriebe der Angst, warum? Ohne Ziel, sich des Daseins freuen, weshalb?
Einfach existieren? Verantwortungslos? DA SEIN, wo? Hier oder dort, vollkommen egal. Bewusstsein - Bewusst SEIN.
Wie winzig klein sind die so genannten Alltagssorgen, betrachtet man das Ganze mit gebührendem Abstand. Wie sinnlos der Streit mit dem Nachbarn, wegen einem Haufen Hundedreck vor der Haustür. Wie dumm das Gezeter um den Fehlsitz der Frisur, wie eigennützig das Gejammer wegen irgendeines unbedeutenden Zipperleins. Verglichen mit dem Großen und Ganzen - eine unbedeutende Winzigkeit, nicht weiter erwähnenswert.
Nein, selbst wenn ich wollte, ich kann es nicht. Seit Tagen geht mir ein Satz nicht aus dem Kopf. Nicht von mir geprägt, jedoch all umfassend und aussagend. "Einer trage des Anderen Last". 1988 der Titel einer DEFA Produktion - 2004/2005 Motto des Lebens, meines.
Seit Tagen jagen die Schreckensmeldungen der Flutwelle über jeden nur vorstellbaren TV Sender. Beklemmend, bedrückend, niederschmetternd. Bei aller Fassungs. - und Hilflosigkeit "sehe" ich zwischen den Bildern einen Funken Hoffnung. Nicht der materiellen Spenden wegen, nicht der Anstrengungen wegen die täglich unternommen werden, um das Leid zu lindern - falls man von Linderung überhaupt sprechen kann.
Ich sehe, zum ersten Mal nach sehr langer Zeit, Menschen die für einander einstehen, sich kümmern, sich verantwortlich fühlen. Selbst von der Katastrophe nicht verschont und dennoch dem Mitmenschen die helfende Hand reichend. Egal welcher Staatenzugehörigkeit, egal welche Sprache sie sprechen, Hautfarbe egal. Alles was zählt, liebe deinen Nächsten, wie dich selbst. Menschen die sich vor Tagen nicht kannten, nehmen herum irrende, elternlose Kinder in Obhut, tragen Sorge für bedingungslose Hilfe. Fühlen sich verantwortlich.
Das Unglück schmiedet sie fest zusammen, macht sie zu einer Gemeinschaft, die Stärke und Kraft aufbringt, dies alles zu überstehen.
Die Flutwelle brachte Tod und Verderben - daraus entstand eine Welle von uneigennütziger Barmherzigkeit.
Letztendlich doch ein Fingerzeig und der erste Schritt zur Besinnung auf das Wesentliche - Menschlichkeit?