Die Zahnfee (Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung 08/2004)
sorceress2001
17:14h
Es waren einmal Bruder und Schwester. Sie lebten in einem Land zwischen hier und dort, in einer Zeit, keiner weiß sich mehr genau daran zu erinnern. Die beiden waren wirklich liebe Kinder und jeder dem sie begegneten, schloss sie sofort in sein Herz. Manchmal jedoch, aber wirklich nur manchmal, gerieten sie sich in die Haare, so dass die Fetzen flogen. Ihre Kinderzimmer wurden dann in Windeseile zu einer Raubtierarena. Man konnte sie toben und schreien, schimpfen und kreischen hören, dass einem angst und bange wurde. Ihre Mutter verzweifelte fast in solchen Augenblicken und machte sich große Sorgen um die Kinder.
Der Bruder, er war der Ältere von den Beiden, hatte schon seit einiger Zeit einen Wackelzahn. Sehnsüchtig wartete er auf den Moment wo dieser ihm endlich ausfallen würde. Ob die Zahn Fee den Zahn dann in der darauf folgenden Nacht wohl abholte? Gar viele Geschichten hatte er schon gehört, von der Zahn Fee. Eigentlich mochte er sie nicht ganz glauben. Jedoch insgeheim hoffte der kleine Junge schon, dass ein klitzekleines bisschen von den Geschichten, die man sich erzählte, wahr wäre.
Seine jüngere Schwester beneidete ihn um diesen Wackelzahn und nur gar zu gern hätte sie auch Einen gehabt. Im Gegensatz zu ihrem Bruder glaubte sie nämlich ganz fest an die Zahn Fee. Auch daran, dass diese gewiss kommen würde, um den ausgefallenen Zahn unter dem Kopfkissen hervor zu holen und an seine stelle einen blanken Taler zu legen.
Beide Kinder waren sich jedoch in einem Punkt einig. Die Zahn Fee nahm nur die blanken, sauber geputzten Milchzähne mit. An jedem morgen glich das Badezimmer nach dem Zähne putzen einem Schlachtfeld. Die Kinder schrubbelten und rubbelten ihre Zähne blitzblank. Keines wollte dem anderen dabei nachstehen. Selbst mit den Zahnbürsten im Mund und der schaumigen Zahncreme erzählten sie sich immer neue Geschichten von der Fee. Immer außergewöhnlicher und phantasievoller. Der Mutter konnte es nur Recht sein. So war sie sich denn sicher, dass die beiden Kleinen ihre Zähne wirklich aufs gründlichste putzten.
Eines Abends geschah es dann. Als die Familie beim Abendessen saß, schwups fiel der Wackelzahn des Jungen heraus. Nun gab es kein Halten mehr. Er jubelte und tanzte, rannte in das Badezimmer und schrubbelte den kleinen Zahn noch einmal blitzblank. Danach nahm er sein Zahndöslein und legte den winzigen Zahn vorsichtig hinein. Er hüpfte in sein Zimmer und versteckte die kleine Dose unter seinem Kopfkissen. Seine Schwester schaute ihm ein wenig wehmütig dabei zu.
An diesem Abend schliefen die beiden Kinder erstaunlich schnell ein. Es gab kein Zanken, kein Toben, es brauchte keine Ermahnungen von den Eltern. Die beiden waren viel zu sehr damit beschäftigt, sich auszumalen, was wohl in dieser Nacht passieren würde.
Am Morgen darauf, als der kleine Junge erwachte schaute er flink unter seinem Kopfkissen nach. Siehe da, sein kleiner Zahn war aus dem Zahndöslein verschwunden und stattdessen lagen viele blanke Taler darin. Eilig schlüpfte er aus dem Bett, schlich sich in das Zimmer seiner kleinen Schwester, kitzelte sie sanft wach und zeigte ihr seinen Schatz. Die Kleine blinzelte ihn verschlafen an. Noch ehe sie recht wach war, bemerkte sie, dass ihr Bruder über und über mit Glitzer und Glimmer bedeckt war. Diesem war es noch gar nicht aufgefallen, er hatte nur Augen für seine Taler und er malte sich aus, welche seiner Wünsche damit erfüllt werden könnten. Sie zog ihn vor den großen Spiegel und flüsterte: "Sicher hat dich die Zahn Fee heute Nacht geküsst, als sie deinen Zahn abgeholt hat", der kleine Junge schüttelte ungläubig den Kopf. Doch je länger er sich im Spiegel betrachtete und je genauer er sah, wie er glitzerte und glimmerte umso unheimlicher wurde ihm. Dann fiel ihm ein, dass er einen seltsamen Traum hatte in der vergangenen Nacht.
Irgendwer hatte ihm liebevoll über das Haar gestrichen und ihn sanft im Arm gehalten. Dann etwas leise zugeflüstert und ihn am Ende ganz zart geküsst. Nun wusste er, dass konnte nur die Zahn Fee gewesen sein, die ihn besucht hatte.
Als die Eltern gemeinsam mit ihren Kindern am Frühstückstisch saßen erzählte der kleine Junge von seinen Erlebnissen der letzten Nacht und zum Beweis zeigte er das Zahndöslein vor. In dem die Taler nur so lustig klimperten. Dann geschah etwas Seltsames. Der kleiner Junge beugte sich zu seiner Schwester, umarmte sie herzlich, küsste sie keck auf die Nasenspitze und verkündete: "Sei nicht traurig, dass du noch keinen Wackelzahn hast. Ich teile meine Taler alle mit dir. Dann können wir uns beide einen Wunsch erfüllen und du musst nicht erst noch so lange auf die Zahn Fee warten."
Die Eltern der Geschwister sahen sich beide in diesem Moment lächelnd an, nahmen ihre Kinder in die Arme und drückten sie ganz fest an ihre Herzen. In diesem Augenblick war es ganz deutlich zu spüren, Familie und Liebe sind etwas sehr kostbares man darf es niemals leichtfertig aufs Spiel setzen, um keinen Preis der Welt.
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